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Gute Geschichten lassen einem das Herz aufgehen: So bringt Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach das Geheimnis von erfolgreichem Storytelling auf den Punkt. Der Managing Director von Cohn & Wolfe Deutschland spricht in TREIBSTOFF über sein ganz persönliches Rezept für spannende Geschichten und erklärt, warum eine gute Geschichte für mehr als sich selbst steht.
TREIBSTOFF: Wie erzählen Sie im Job eine Geschichte – mit Erfolg?
LÜNENBÜRGER-REIDENBACH: Ich glaube ja, dass Geschichten privat und beruflich ähnlich funktionieren. Wer am Esstisch gut Geschichten erzählen kann, ist in der Kommunikation gut aufgehoben – denn er oder sie kann einfach Geschichten erzählen. Das „wie“ ist dabei sehr unterschiedlich. Mein eigenes Stilmittel ist oft, dass ich verschlungene Nebenstränge einbaue und dann die Pointe irgendwann überraschend kommt, ein bisschen aus dem Off, wenn alle maximal verwirrt sind. Wie in einem Roman, nur in Kurzform. Die Erleichterung, dass sich die Fäden auf einmal doch entwirren und etwas miteinander zu tun haben, macht dann den Erfolg des Erzählens aus. Denn für den Erfolg brauche ich ja eine der großen, positiven Emotionen: Erleichterung, Freude, Rührung.
TREIBSTOFF: Erfolgreiche Geschichten leben also von Emotionen.
LÜNENBÜRGER-REIDENBACH: Ja. Denn auch wenn sich heute die Erzählformate sehr verändert haben, bleibt die ewige Geschichte ja die gleiche. Menschen treffen sich, lieben sich, streiten sich, streiten für etwas oder dagegen, werden zu Helden oder Heldinnen und wachsen über sich hinaus. Leise oder laut, klein oder groß. Oder, wie meine Großmutter es nennt: „Da geht einem das Herz auf“.
TREIBSTOFF: Was ist heute anders als früher?
LÜNENBÜRGER-REIDENBACH: Das Besondere heute ist für mich, dass sich große Erzählungen oft aus kleinen Bausteinen zusammensetzen. Dass wir Geschichten nicht mehr unbedingt durcherzählen an einer Stelle – sondern verteilt auf verschiedene Medien, Formate, Situationen. Und dass wir dadurch wieder mehr Tiefe hinbekommen können.
TREIBSTOFF: Was macht Storytelling aus?
LÜNENBÜRGER-REIDENBACH: Storytelling ist für mich die Kunst, Geschichten zu erzählen. Tatsächlich so banal und so wörtlich. Es ist eine im eigentlichen Sinne mündliche Kommunikationsform, keine, die fertig inszeniert oder orchestriert wäre. Eine, die immer wieder für überraschende Wendungen gut ist. Die Story ist nur ein Teil, der Akt des Erzählens selbst wird immer und immer wichtiger. Wem erzähle ich wo was? Am Esstisch variiert die Geschichte, die ich erzähle auch immer wieder – abhängig von den Reaktionen meiner Freundinnen und Freunde. Ich reagiere auf Fragen, aufs Lachen, aufs Stirnrunzeln. Ich passe meine Geschichte sozusagen agil an und webe die Situation und mein Publikum in das Erzählen ein.
TREIBSTOFF: Sie sagen, dass eine gute Geschichte für mehr steht als nur für sich selbst. Warum?
LÜNENBÜRGER-REIDENBACH: Weil sie eine große, eine positive Emotion auslöst und sich anfühlt, als hätte ich sie schon lange gekannt, vielleicht schon immer. Sie ist „wahr“ in dem Sinne, dass sie sich wahr anfühlt. Und im postfaktischen Zeitalter kann sie noch eine weitere Funktion haben. Wir nennen das „ground truthing“, einen Begriff, den wir aus der Kartografie übernommen haben: Eine Wahrheit und Fakten plausibel machen durch exemplarisches Erzählen.
TREIBSTOFF: Welche Stories begeistern Sie am ehesten?
LÜNENBÜRGER-REIDENBACH: Müssen Stories begeistern? Ist es nicht wichtiger, zu bewegen? Kann das nicht auch leise sein? Ich bin fest davon überzeugt, dass der Fokus auf Begeisterung, auf laute Wahrnehmbarkeit, einfach falsch ist, wenn es um Storytelling geht. Geht es nicht vielmehr um Relevanz, Resonanz, eben um Berührung? Eine Story, die ein tiefes menschliches „Insight“ anspricht, wie wir im besten Agentur-Denglisch sagen, entfaltet ihre Wirkung, auch wenn sie nicht „begeistert“. Denn sie trifft eine Wahrheit.
Dieser Beitrag ist ein Original-Blogpost aus TREIBSTOFF:
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