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Zur Erinnerung:
Unterschiedliche Meinungen zum Google-Urteil des EuGH prallten bei einer Info-Veranstaltung des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) im Berliner Meistersaal aufeinander. „Ich finde das Urteil schwach. Da wird ein sehr komplexes Problem unterkomplex gelöst. Drittbetroffene wie Verlage oder Blogger werden nicht berücksichtigt. Wir müssen viel stärker die Frage diskutieren, wie weit es auch ein Recht gibt, aufgefunden zu werden“ meinte Dr. Ole Schröder (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium.
Es war der 4. öffentliche Diskussionsabend im Rahmen des DIVSI-Projekts mit der Fragestellung „Braucht Deutschland einen Digitalen Kodex?“ DIVSI-Direktor Matthias Kammer: „Diese Grundfrage ist positiv beantwortet – wir brauchen einen solchen Kodex. Unsere Lebensrealität ist längst digital. Wir beschäftigen uns jetzt mit konkreten Fragestellungen wie dem Recht auf Vergessenwerden und versuchen, praktische Vorschläge dafür zu entwickeln, wie alle Beteiligten unter Berücksichtigung des Urteils künftig miteinander umgehen sollten.“
Der EuGH habe mit dem Urteil einen „Pflock eingeschlagen“. Kammer: „Anfangs waren alle begeistert. Doch bringt uns das Urteil tatsächlich weiter?“
Konstantin Klein, Redaktionsleiter Deutsche Welle, nahm das Bild auf: „Ich habe bei der Lektüre des Urteils allerdings nicht an einen Pflock gedacht. Mir ist eher ein Pfosten eingefallen. In der Ausführung, dass die Richter des EuGH einen Vollpfosten haben!“ Klein wies weiter darauf hin, dass trotz der Entscheidung negative Informationen allerdings nicht zu unterdrücken seien: „Sie sind jetzt nur schwerer aufzufinden. Wer versucht, unliebsame Erinnerungen vergessen zu machen, sorgt oft unfreiwillig eher dafür. dass sie erinnert werden. So gesehen kann man sich über das Urteil aufregen, gleichwohl ist es aber nur ein Schritt auf einem ganz langen Weg.“
Auch Katharina Borchert, Geschäftsführerin Spiegel Online, kritisierte: „Das Medienprivileg der Presse wird völlig ausgehebelt. Es geht nur noch um die Ansprüche der Betroffenen, aber nicht um die Ansprüche der Publizierenden und auch nicht um die Informationsansprüche der Öffentlichkeit. So kann das nicht der letzte Stand sein.“
Jan Kottmann, Leiter Medienpolitik bei Google, hielt sich bei der Bewertung der EuGH-Entscheidung bedeckt: „Wir konzentrieren uns in erster Linie darauf, das Urteil umzusetzen und weniger darauf zu bewerten, ob uns die Diskussion darüber gefällt.“
Jan Philipp Albrecht, Stellvertretender Vorsitzender des Innen- und Justizausschusses des Europäischen Parlaments und zuständiger Berichterstatter für den Umgang mit dem Urteil: „Da wurde sehr viel reininterpretiert, was überhaupt nicht drinsteht.“ Die Suchmaschinenanbieter forderte er auf, eine „verantwortliche Abwägung“ bei Löschanträgen vorzunehmen. Albrecht betonte, dass er die Aufregung darüber nachvollziehen könne , wenn solche Anträge etwa von Menschen mit rechtsradikaler Vergangenheit gestellt würden, die ihr Vorleben tilgen wollten. Hier könne ein massiver Eingriff in die Presse – und Informationsfreiheit vorliegen, wenn solchen Anträgen entsprochen werde.
Der Grünen-Politiker wies ergänzend darauf hin, dass sich der EuGH – wie auch in diesem Urteil – durchaus mit Datenschutzfragen beschäftigen könne. Dies sei ein auf europäischer Ebene gestaltbares Rechtsgebiet. Albrecht: „Nicht zuständig ist der Gerichtshof jedoch für Presse- und Meinungsfreiheit.“ Deshalb sei eine solche Abwägung auch nicht vorgenommen worden.
Michaela Schröder, Datenschutzexpertin beim Bundesverband der Verbraucherzentrale, bemängelte eine mangelnde Aufklärung über das Urteil: „Wir mussten viel Arbeit in dieser Hinsicht leisten. Viele Verbraucher dachten anfangs, sie können jetzt einfach alles mal löschen lassen, was ihnen nicht gefällt.“
Die frühere Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger unterstrich in ihrer Keynote, dass man Vergessen weder erlernen oder erzeugen noch verordnen kann. Vergessen sei keine dem individuellen oder kollektiven Willen unterliegende Eigenschaft des Menschen. Eine „Tugend des Vergessens“ gibt es nicht. Deshalb habe nach ihrer Ansicht das EuGH-Urteil einen „deutlichen Schritt“ in die richtige Richtung getan.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: „Es hat der millionenfachen Verbreitung privater Informationen, auch wenn sie zutreffend sind, einen begrenzt wirkenden Riegel vorgeschoben. Angesichts der engen Voraussetzungen für einen erfolgreiche Anspruch auf Löschung von Links ist die Einschränkung des Zugangs zu Artikeln und Publikationen angemessen. Sie geraten nicht in Vergessenheit, sie bleiben weiter bestehen, aber das Auffinden verlangt etwas mehr Aufwand. Auch das Erinnern will geübt sein.“
Umstritten auch die Idee, eine Schiedsstelle einzurichten, die beim Streit um Löschanträge vermittelnd zwischen den Suchmaschinenbetreibern, den Antragstellern und Publizierenden eingreifen könnte. Grundsätzlich wird über einen Vorschlag diskutiert, eine solche Schiedsstelle in die EU-Datenschutzverordnung aufzunehmen, die noch in diesem Jahr kommen soll. In den Regularien könne verankert werden, dass auch die Publizierenden in einem Löschverfahren ANGEHÖRT werden. Derzeit spielt sich das Verfahren ausschließlich zwischen den Suchmaschinenanbietern und jenen Personen ab, von denen die Löschung eines Links beantragt wird.
Katharina Borchert unterstützte entsprechende Vorstellungen: „Die Informationsfreiheit der Internetnutzer wird derzeit nicht berücksichtigt.“ Parlamentarischer Staatssekretär Ulrich Kelber (SPD) sprach sich dafür aus, Schiedsgerichte auf europäischer Ebene zu verankern und: „Publizierende, deren Link gelöscht werden soll, sollten definitiv vorher informiert werden.“
Haben auch Sie schon Löschungen beantragt? Und wenn ja, welcher Art sind die Inhalte, die gelöscht werden sollen?
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